Teil I: Turbulente Zeiten
Der Glanz alter Tage ist verblast. |
Als Sportredakteure für den in Minneapolis ansässigen „Star Tribune“ hatten Jerry Zgoda und Rachel Blount zwar eine kollegiale Beziehung, jedoch hatten Sie
Anfang der Neunziger nur selten längere, substantielle Gespräche über ihre
Arbeit geführt. Dafür waren ihre jeweiligen Aufgabengebiete zu verschieden.
Während Zgoda seit kurzem über die junge Basketballfranchise der Timberwolves
berichtete, schrieb Blount etliche Jahre lang hauptsächlich über die
ansässige Hockeymannschaft, die North Stars.
Im Sommer 1994 ersuchte Zgoda jedoch öfter den Rat seiner Kollegin, die im
Jahr davor ihr Ressort als Leitreporterin der North Stars verlor, nachdem diese
in Richtung Süden schweiften um zu den ‚Dallas Stars‘ zu werden. Auch die
Timberwolves, so munkelte man ab dem Februar 1994, sollten in den kommenden
Monaten einen neuen Eigentümer finden und in der kommenden Saison in einer
neuen Stadt auflaufen. 34 Jahre nachdem die von George Mikan geführten Lakers
nach Kalifornien umsiedelten, und nur 3 Jahre nachdem die North Stars im
Stanley Cup Finale standen sollte Minneapolis ein weiteres Profiteam verlieren.
Die Arbeit als Sportberichterstatter ist während eines drohenden
Standortwechsels ein mühsames Unterfangen, da man sich völlig umstellen muss.
Anstelle von Trainern und Spielern befragt man Politiker, Anwälte und Aktive
ziviler Initiativen. Anrufe in entfernten Städten um Wechsel- und
Vertragsgerüchten hinterherzujagen wechseln sich ab mit dem Erkundigen nach
möglichen Interessenten und deren finanziellen Möglichkeiten. Der Fokus
verschiebt sich von einem sportlichen zu einem wirtschaftlich-politischen,
wodurch die Arbeit nicht unbedingt weniger spekulativ wird. Blount, so dachte
sich Zgoda, müsste wissen, wie man als Sportberichterstatter in solch einer
Situation recherchiert. Auf das, was zwischen Mai und Oktober dieses Jahres
kommen sollte, konnte ihn jedoch selbst seine erprobte Kollegin nicht
vorbereiten.
Harvey Ratner |
Nur 4 Jahre nachdem der Geschäftsmann Harvey Ratner, als Hauptinvestor der
Timberwolves, professionellen Basketball nach Minnesota zurück gebracht hatte,
entschied er sich, die Mannschaft zu verkaufen. Eine Investorengruppe namens „Top
Rank“ bekundete starkes Interesse daran, die Franchise zu kaufen und nach New
Orleans umzusiedeln.
Minneapolis hatte in dem Poker um das Team die schlechteren Karten.
Zunächst musste eine Lösung für die Schulden, die durch die Spielstätte der
Wolves, das Target Center, entstanden sind, gefunden werden. Obwohl der zivile
Support für die Timberwolves hoch war, sträubte sich ein Großteil der Bürger
Minnesotas davor, Steuermittel als Bailout für die Schulden in Betracht zu
ziehen, die durch den Multimillionär Ratner verursacht wurden. Top Rank
hingegen bot an, neben dem Abkauf der Franchise zusätzlich etwa ein Drittel der
Schulden zu begleichen. Entgegen dem erklärten Willen der Bürger entschloss
sich Minnesotas Legislattve ca. 48 Mio. $ für den Kauf des Target Centers
bereit zu stellen. Dies wäre jedoch nur realisierbar gewesen, wenn ein lokaler
Abnehmer für die Franchise gefunden werden würde. Ende April gab Top Rank ein
Gebot von ca. 153 Mio. $ für die Franchise ab, welches von der Eigentümergruppe
um Harvey Ratner Mitte Mai angenommen wurde. Am 6. Juni wurden die notwendigen
Verträge und Unterlagen an die NBA übermittelt. Das Endkapitel schien
geschrieben. Medienvertreter kehrten Minnesota langsam den Rücken zu und fingen
an über den Namen der zukünftigen Mannschaft in New Orleans zu spekulieren,
sowie sich zu fragen, wo Heimspiele bis zur Errichtung einer neuen Arena stattfinden
würden.
Retter in höchster Not: Glen Taylor |
Dann der Hammer: Völlig unerwartet blockierte das für solche Fälle
zuständige Gremium der NBA den Umzug der Wolves nach Lousiana. Unter David
Sterns Regentschaft änderten bislang sechs Mannschaften ihre Anschrift –
Minnesota und zuletzt Sacramento waren bislang die einzigen Vetos. Top Ranks
Fianzierungsplan schien den Entscheidungsträgern zu wackelig: Von den geboten 153
Millionen Dollar waren 76 Millionen als Bankkredite verbucht, die noch nicht
gewährt waren. Weitere 50 Millionen waren als Einkünfte deklariert, die
innerhalb der noch zu bauenden Arena gemacht werden würden. Dieser Entscheidung
folgte ein Gerichtsstreit zwischen Top Rank und der NBA, sowie der NBA und der
Eigentümergruppe der Timberwolves. Die Liga gewann beide Verhandlungen und
stellte sicher, dass die Timberwolves zumindest für ein weiteres Jahr in
Minnesota verbleiben würde. Wäre innerhalb dieses Jahres kein lokaler Abnehmer
gefunden worden, hätte sich das ganze Drama wiederholen können. Im Oktober fand
sich jedoch in Glen Taylor schließlich ein lokaler Käufer. Die Stadt übernahm
die Kosten für das Target Center. Minnesota Basketball war gerettet.
Hauptinvestoren der Top Rank-Gruppe: Houstons Ex-Bürgermeister Fred Hofheinz & Boxpromoterlegende Bob Arum |
Jerry Zgodas Kolumne schrieb sich während des letzten Parts der Minnesota
Relocation-Story deutlich leichter als noch während der tumultreichen Monate um
den Juni. Er hatte Gewissheit, dass er weiterhin als lokaler Basketballreporter
arbeiten und sich wieder verstärkt um die sportliche Seite kümmern konnte. Und
obwohl er einige Jahre später den Tribune doch verlassen und die gesamte Kevin
Garnett Ära verpasst sollte, ist er zurückgekehrt und schreibt auch heute noch
an alter Wirkungsstätte über die Wolves. Und auch wenn Rachel Blount beim
Tribune inzwischen an anderen Ressorts schreibt, muss Sie nicht mehr um den
Zustand ihrer Lieblingssportart in ihrem Heimatort trauern, denn im Jahre 2001
kehrte der professionelle Eishockey mit den „Wild“ nach Minnesota in die an Minneapolis
grenzende „Zwillingsstadt“ St. Paul zurück.
„Minnesota Basketball war gerettet.“ War es das? Teil
II wird einen Rückblick auf die Timberwolves unter Glen Taylors Kontrolle geben. Teil III
soll ein Ausblick auf die Timberwolves unter der zukünftigen Kontrolle von Flip
Saunders werden.
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